Biotopverbund Westwall – Moose auf der Höckerlinie

Biotopverbund Westwall – Moose auf der Höckerlinie

Dieser Strukturreichtum würde ohne die Betonhöcker in der intensiv genutzen Landschaft verloren gehen. (Foto: N. Stapper, 2021)

Entlang der Westwall-Linie in der Stadt Aachen sind an zahlreichen Stellen Betonhöcker zu finden, die als Panzersperre zu Propagandazwecken in den 1930er Jahren erbaut worden sind. Im Zuge des LVR-Projekts „Biotopverbund im Westen – der Westwall“ der NABU-Naturschutzstation Aachen wurden die Betonhöcker hinsichtlich der vorkommenden Moosarten untersucht. Die Erfassung wurde 2021 an sieben Standorten im Stadtgebiet von Aachen durchgeführt, wobei je 20 Betonhöcker an einem Standort untersucht wurden.

Moose verraten Mikroklima

Moose sind eine der ältesten Gruppen höherer Pflanzen. Sie besitzen keine Stütz- und Leitorgane, um Wasser und Nährstoffe zu transportieren, und sind somit in besonderer Weise abhängig von Wasserverfügbarkeit und dem Mikroklima ihres Standorts. Letzteres macht sie zu guten Zeigerorganismen, an denen man unter anderem Temperatur und Wasserverfügbarkeit „ablesen“ kann. Dabei ist weniger die schiere Anzahl der Arten als vielmehr die Zusammensetzung der Artengemeinschaften von Bedeutung. Denn jede Moosart trotzt den ökologischen Widrigkeiten etwas anders, so dass sich in jeder Nische die dafür spezifische Gemeinschaft einfindet. So überleben nur wenige Moose auf freistehenden, sonnenexponierten Substraten – und doch ließen sich an allen untersuchten Betonhöckern Moose finden.

Die Betonhöcker werden zunehmend grün statt grau. (Foto: N. Stapper, 2021)
Orthotrichum anomalum und Grimmia pulvinata gedeihen auch in Wärme und Trockenheit. (Foto: N. Stapper, 2021)

Insgesamt wurden 64 verschiedene Moosarten nachgewiesen, darunter 59 Laubmoos- und 5 Lebermoosarten. Bei den festgestellten Moosen handelt es sich durchweg um ungefährdete Arten. Die Lebensräume entlang der Westwall-Linie unterscheiden sich teils deutlich voneinander: Die Bandbreite liegt hier von offenen Bereichen mit geringer oder fehlender Beschattung durch höhere Pflanzen bis zu vollständig beschatteten Bereichen in Gehölzstreifen. Dementsprechend angepasst hat sich die Moosvegetation auf den Betonhöckern, wobei die höchsten Artenzahlen in beschatteten Bereichen registriert wurden. So wurden am Standort Butterweiden auf den Betonhöckern 39 verschiedene Moosarten festgestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Habitatbedingungen, vor allem hinsichtlich der Feuchte, fanden sich auf dem Plateau der Betonhöcker weniger Moosarten als auf den feuchteren Seitenflächen.

Die Natur erobert die Panzersperre

Erwartungsgemäß ähnelt die Moosvegetation an den beschatteten Betonhöckern jener auf natürlichen Gesteinssubstraten in unseren Waldökosystemen. Die ursprünglich als Kriegsmittel gedachten Betonpyramiden („Drachenzähne“) erhalten durch den Bewuchs mit Moosen und teils auch großen Flechten, einen „grünen Mantel“.

Efeu (Hedera helix) führt in beschatteten Bereichen zur Verkleinerung des Platzangebots für die Moose auf den Betonhöckern, da sich diese Schattenpflanze dominant ausbildet. Dies erwies sich jedoch nicht nachteilig für die Moosartenvielfalt, denn mitunter vergrößert Efeu die Strukturvielfalt der einzelnen Standorte.

Aufgrund ihres Habitat- und Strukturreichtums bietet die Westwall-Linie mit ihren Betonhöckern in unterschiedlich alten Pionierwäldern insbesondere gesteinsbewohnenden Moosen und Flechten ein reichhaltiges Angebot. Über die Jahrzehnte entwickelt es sich weiter und ersetzt fehlende natürliche Angebote. Deshalb sollte sie in dieser Funktion erhalten werden.

Bei genauem Hinsehen zeigen auch Moose eine erstaunliche Vielfalt. Hier: Orthotrichum anomalum, das sog. „Goldhaarmoos“. (Foto: N. Stapper, 2021)
Das Lebermoos Porella platyphylla mag es eher feucht. (Foto: N. Stapper, 2021)

Die Untersuchungen führte Herr Stapper, ein Experte für Flechten und Moose, vom Büro für ökologische Studien in Monheim am Rhein für die NABU-Naturschutzstation Aachen durch.



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