Wiederansiedlung des Feldhamsters

Aachen: Im Mai 2018 unternahm die NABU-Naturschutzstation Aachen den ersten Versuch in Nordrhein-Westfalen den Feldhamster wieder anzusiedeln und setzte 26 Tiere auf einer Ackerfläche in Horbach frei. Im darauffolgenden Jahr kamen weitere 33 Tiere vom GAIA-Zoo in Kerkrade (NL) hinzu. Erste Erfolge stellten sich rasch ein, denn sowohl 2018 und 2019 als auch im laufenden Jahr 2020 konnten sich die freigesetzten Tiere erfolgreich vermehren. Allerdings sind die Überwinterungsraten nur im einstelligen Bereich und damit zu gering, um eine stabile Population zu sichern. „Wir werden unsere Bemühungen in den kommenden Jahren fortsetzen, um den Feldhamster in Aachen wieder anzusiedeln“, so Dr. Manfred Aletsee, Leiter der NABU-Naturschutzstation Aachen.

Feldhamster (Foto: C. Zacharias)

Im vergangenen Jahr startete das Land Nordrhein-Westfalen unter Federführung des Landesamtes für Naturschutz (LANUV) in Metelen zwei weitere Wiederansiedlungs­projekte in Pulheim und Rommerskirchen. Die Feldhamster stammen dabei aus der eigenen Erhaltungszucht des LANUV. Ende August 2020 werden auch in Aachen aus dieser Zucht 24 Hamster ausgewildert und die Zusammenarbeit der verschiedenen Wiederansiedlungsprojekte intensiviert.

Feldhamster-Züchter und Mitarbeiter der NABU-Naturschutzstation Aachen bei der jüngsten Aussetzung in Aachen im August 2020. (Foto: U. Schwenk)

Gleichzeitig wird in Aachen gemeinsam mit den lokalen Landwirten der Lebensraum für den Feldhamster optimiert, eine wesentliche Voraussetzung für den langfristigen Erfolg des Projektes. „Eigentlich ist der Feldhamster ein Steppenbewohner. Als Kulturfolger ist er in Westeuropa aber auf eine Ackerlandschaft mit Getreideanbau angewiesen“ erläutert Dr. Aletsee. Daher war der Nager ursprünglich auch in der Bördelandschaft zwischen Aachen und Köln weit verbreitet. In Aachen soll ein Mosaik aus kleinstrukturierten Ackerflächen entwickelt werden, das unterschiedlich extensiv genutzt wird. So sollen auf manchen Flächen die Stoppeln nach der Getreideernte als Sichtschutz vor Beutegreifern belassen werden und manchmal wird ganz auf die Ernte verzichtet. Letzteres soll dem Feldhamster ermöglichen, den natürlicherweise hohen Verlust durch Witterung und Beutegreifer ausgleichen zu können, indem optimale Deckung und Nahrung für den Winter vorhanden sind. Ein wesentlicher Teilaspekt ist dabei die Entwicklung der gesamten Lebensraumgemeinschaft. Da Teilflächen seit vielen Jahren vermindert mit Pestiziden behandelt werden, findet man schon jetzt eine hohe Anzahl von Arten der Ackerwildkrautgesellschaft, unter anderem auch gefährdete Arten wie den Sardischen Hahnenfuß und den Ackerfrauenmantel. In den streifenförmigen Brachen finden zudem seltene Vogelarten wie Dorngrasmücke, Schwarzkehlchen und Sumpfrohrsänger Brut- und Nahrungsraum.

Für das Überleben des Feldhamsters, der sich von Natur aus stark vermehrt, ist dies alles keineswegs eine Garantie. Denn der Hamster ist auf eine ausreichend große Fläche mit guter Habitatausstattung angewiesen, um auch große Populationseinbrüche durch nasse Witterungsperioden, Krankheiten oder verstärktes Auftreten von Beutegreifern ausgleichen zu können. Damit dies landwirtschaftliche Strukturen zukünftig gewährleisten können, sind weiterhin enorme gesellschaftliche Anstrengungen und ein deutlicher Wandel der europäischen Agrarpolitik nötig.

Feldhamster-Aussetzung im August 2020 in Aachen. (Foto: U. Schwenk)

Der Europäische Feldhamster – eine mittlerweile weltweit stark gefährdete Art

Bisher galt der Feldhamster nur in Westeuropa als bedroht und ist innerhalb der Europäischen Union durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Anhang IV) geschützt. Dementsprechend gehört der Nager auch in Deutschland zu den streng geschützten Arten. Mit Veröffentlichung der Anfang Juli 2020 aktualisierten Version der Internationalen Roten Liste der bedrohten Arten der IUCN, der internationalen Weltnaturschutzunion, wird der Feldhamster (Cricetus cricetus) weltweit nicht mehr als „ungefährdet“, sondern als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Nach langjähriger Forschung und Datenrecherche hat sich gezeigt, dass die Intensivierung der Landwirtschaft auch in Osteuropa die bisher stabilen Populationen zusammenbrechen lässt. Als Hauptursachen für die Bedrohung des Feldhamsters in Deutschland ist der Strukturwandel in der Landwirtschaft hin zu einer immer stärkeren Industrialisierung gefolgt von einem Flächenverbrauch durch Bebauung seit langem bekannt.

Vor dem Hintergrund der weltweiten Gefährdung erlangen solche Wiederansiedlungs­projekte, wie das von der NABU-Naturschutzstation Aachen, eine besondere Bedeutung. Es geht hier nicht nur um den lokalen Erhalt in ehemaligen Vorkommensgebieten, sondern auch um die Erfassung und den Austausch von Daten, die einen zukünftigen Schutz dieser faszinierenden Nagerart ermöglichen. Denn die IUCN prognostiziert bei gleichbleibender Entwicklung ein mögliches weltweites Aussterben der Art in nur 30 Jahren. Darüber hinaus steht der Feldhamster symbolisch auch für den allgemeinen dramatischen Rückgang der Biodiversität in der Agrarlandschaft.

Die Ansiedlungen in Aachen erfolgten in enger Zusammenarbeit mit Hamsterspezialisten aus der Provinz Limburg und der unteren Naturschutzbehörde der Stadt Aachen; die Bezirksregierung Köln finanziert das Projekt.

Feldhamster. (Foto: U. Schwenk)